Ibrahims Reisen
Teil 1
Ibrahim, Lut und die Gottesfürchtigen wanderten zunächst nach Nordwesten, immer an den beiden großen Strömen Euphrat und Tigris entlang. Dort gab es damals viel fruchtbares Land und große Städte. Sie hatten ihr Vieh bei sich, das überall gute Weide fand, und sie verdienten auch einen Teil ihres Lebensunterhalts durch Handwerk und Handel.
Schließlich kamen sie in die Stadt Babylon, in der zu jener Zeit der mächtige König Nimrud herrschte. Dieser war ein richtiger Tyrann und beim Volk gefürchtet. Er führte zahlreiche Kriege und wollte die ganze Welt erobern, aber schon jetzt war er größenwahnsinnig geworden und verlangte von seinen Untertanen, dass sie ihn als Gott anbeteten und ihm Opfer brachten. Das ist an und für sich nicht weiter merkwürdig, denn im Laufe der Menschheitsgeschichte waren viele Könige, Kaiser und Diktatoren von dieser Wahnidee befallen, wenn auch nicht alle ihren Befehl in diese Worte gefasst haben. Wie viele Millionen Menschen sind solchen wahnsinnigen Herrschern zum Opfer gefallen!
Nimrud hatte bereits zuvor einen hohen Turm bauen lassen. Dieser sollte bis an den Himmel reichen, oder wenigstens ziemlich in die Nähe, und noch bevor der Turm ganz fertig war, stieg Nimrud, ungeduldig, dem Volk seine Macht zu beweisen, hinauf uns schoss einen Pfeil in den Himmel. "Jetzt habe ich Gott getötet", sprach er daraufhin zu seinem Volk, "und ihr sollt niemanden anbeten außer mir." Auch das ist nicht weiter merkwürdig, denn in späteren Jahrhunderten haben immer wieder mächtige und gelehrte Männer gesagt: "Gott ist tot", und von den Völkern verlangt, ihren verschiedenen Theorien zu folgen. Und wie viele Millionen Menschen sind dadurch geradewegs in ihr Verderben gelaufen!
Ibrahim gelangte also in die Nähe der Stadt Babylon, und die Gottesfürchtigen schlugen dort ihre Zelte auf und begannen, in der Stadt ihre Arbeit anzubieten und ihre Waren zu verkaufen. Natürlich erfuhr der König durch die wachsamen Beamten sofort von der Ankunft der Fremden, und dass sie Diener des einzigen Gottes waren, den Nimrud angeblich getötet hatte. Der König befahl sofort, Ibrahim zu ihm zu bringen. Er sprach zu Ibrahim: "Ich bin der Gott in diesem Land. Was ist das für ein Gott, den du an meiner Stelle anbetest?"
Ibrahim sprach: "Ich bin ein Diener
Allahs, des Herrn der Welten, aus dessen Hand Leben und Tod über Seine Geschöpfe
kommen."
"Unsinn!" rief der König. "Ich bin es, der lebendig macht und tötet." Mit einem
Wink seiner Hand gab er den Befehl, hundert Gefangene aus dem Gefängnis zu
bringen. Als diese in einer Reihe vor ihm standen, ließ er fünfzig zu rechten
und fünfzig zur linken Seite treten. Die auf der rechten Seite standen, ließ er
frei, die anderen fünfzig ließ er auf der Stelle hinrichten. "Siehst du nun,
dass ich der wahre Gott bin?" fragte er triumphierend.
Aber Ibrahim war überhaupt nicht beeindruckt. Er sprach zu dem Tyrannen: "Mein Herr läßt jeden Tag die Sonne im Osten aufgehen. Bring du sie doch einmal von Westen."
Das konnte Nimrud natürlich nicht. Er wurde sehr wütend, weil Ibrahim vor ihm gar keine Angst zu haben schien, und gleichzeitig fürchtete er, der fremde Prophet könnte unter seinem Volk die Wahrheit bekannt werden lassen. Am liebsten hätte er Ibrahim sofort getötet, aber er wusste andererseits auch nur zu gut, dass er in Wirklichkeit Allah nicht getötet hatte, sondern nur vor dem Volk einen Schwindeltrick gezeigt hatte. Er befahl daher seinen Soldaten, Ibrahim und die Gottesfürchtigen so schnell wie möglich aus dem Land zu vertreiben.
Schon bald danach fielen mächtige Feinde über das Reich her und zerstörten die prächtigen Städte. Einige davon, wie Babylon, wurden Jahrhunderte später mit noch größerer Pracht wieder aufgebaut, aber von den ursprünglichen Städten sind noch viele Ruinen bis heute erhalten geblieben, und auch Teile des Turmes stehen noch.
Nachdem Ibrahim das Land verlassen hatte, gelangte er ins Gebirge. Während seine Leute die Zelte aufbauten und die Tiere auf die Weide trieben, wanderte Ibrahim an einem einsamen Ort umher, um zu beten und nachzudenken. Er sprach zu Allah: "Zeig mir doch einmal, wie Du die Toten zum Leben erweckst." Allah erwiderte: "Hast du etwa kein Vertrauen zu mir?" "Doch", sprach Ibrahim, "nur damit mein Herz beruhigt wird." Da befahl Allah Ibrahim, vier Vögel zu fangen und sie zu zähmen. Dann sprach Er: "Zerteile sie und bring ihre Teile auf vier verschiedene Berge." Ibrahim tat, wie ihm befohlen war, und kehrte zu seinem Platz zurück. "Nun ruf die Vögel zu dir", sprach Allah. Und kaum hatte Ibrahim die Vögel gerufen, da kamen sie auch schon angeflogen und setzten sich auf seine Schultern.
Quelle: Geschichten der Propheten aus dem Qur'an; Islamisches Zentrum Hamburg e.V. DIE MOSCHEE