Ibrahims Reisen

Teil 2

Nach jahrelanger Wanderung gelangten Ibrahim und die Seinen in das Land Palästina. Dort bliebt Lut in der Stadt Sodom, denn Allah hat ihn zum Gesandten für ihre Bewohner bestimmt, und auch die meisten anderen von Ibrahims Gefährten siedelten sich in der Nähe an. Nur Ibrahim und seine Frau Sarah brachen schon nach kurzer Zeit zu weiteren Reisen auf. Sie durchwanderten das Land in alle Richtungen und gelangten schließlich nach Ägypten. Dieses fruchtbare Land an den Ufern des Flusses Nil war damals ein wichtiges Zentrum der Wissenschaften und Künste. Wie in Ibrahims Heimat im Zweistromland, so gab es auch hier große prächtige Städte mit Palästen, Tempeln und Denkmälern, und die Bibliotheken waren vielleicht sogar noch ein bisschen älter und größer als in Ur und Babylon. Jedes Jahr überschwemmte der Nil das ganze Land und brachte fruchtbaren schwarzen Schlamm auf die Felder, und dann kamen die weltberühmten Meister der Mathematik und teilten das Land neu auf und wiesen jedem Bauern seinen Anteil zu. Die Astronomen waren Jahr für Jahr damit beschäftigt, die Sterne zu beobachten, um die genaue Zeit für die Nilüberschwemmung vorauszuberechnen, damit nur ja kein Schaden entstand. Alle Wissenschaften und Künste der damaligen Zeit waren im Land Ägypten bekannt. Die Menschen aber waren wiederum so stolz auf ihre eigene Leistung, dass sie an Allah überhaupt nicht mehr dachten. Am stolzesten und übermütigsten war ihr König der Pharao. Dieser behauptete, er sei der Sohn der Sonne, und seinen Befehlen mussten die Menschen bedingungslos gehorchen. Sogar bis über ihren Tod hinaus wollten die ägyptischen Könige vor der ganzen Welt ihre Macht beweisen. Darum befahlen sie schon zu Lebzeiten Millionen von Sklaven, aus riesigen Steinblöcken die Pyramiden zu bauen, in denen sie dann mit all ihrem kostbaren Besitz beigesetzt werden sollten, nachdem sie zuvor von den berühmten Ärzten des Landes mit kostbaren Salben einbalsamiert worden waren, so dass ihr Körper jahrtausendelang erhalten blieb.

Ibrahim reiste nun mit seiner Frau Sarah durch das Land und traf viele der berühmtesten Gelehrten. Da er selbst ja auch ein Gelehrter war, führte er viele nützliche Gespräche mit ihnen. Sicher hat er ihnen auch von Allah erzählt und von Seinen früheren Gesandten, aber wir wissen nicht, wie viele Ägypter damals auf ihn gehört haben. Wahrscheinlich waren die meisten zu sehr mit sich selbst beschäftigt und haben seine Rede höflich abgelehnt.

Schließlich kamen Ibrahim und Sarah in die Hauptstadt des Landes. Der König, der dort in seinem riesigen Palast residierte, war ein grausamer Tyrann. Er hatte ein gewaltiges Heer von Soldaten, die er auf die Kriegszüge ausschickte, und Sklaven, die für ihn arbeiten mussten. Ja, er betrachtete das ganze Volk als seine Sklaven.

Der König erfuhr sehr bald, dass ein Fremder in der Stadt angekommen war, und mit ihm zusammen eine außerordentlich schöne Frau. Sobald er aber von schönen Frauen hörte, wollte er sie für sich selbst behalten, und damit hatte er schon viel Leid über die Familien seiner Untertanen gebracht.

Er ließ Ibrahim zu sich kommen und fragte ihn, wer die Frau sei, die mit ihm zusammen reise. Ibrahim wusste wohl, dass dieser Tyrann, wenn er erfuhr, dass sie seine Frau war, ihn töten und Sarah mit Gewalt bei sich behalten würde. Darum erwiderte er: "Sie ist meine Schwester." Das ist ja auch nicht gelogen, denn alle Gottesfürchtigen sind wie Brüder und Schwestern.

Da schickte ihn der König fort und befahl seinem Diener, Sarah zu holen. Ibrahim hatte gerade noch Zeit, ihr mitzuteilen, was er dem König gesagt hatte. Dann konnte er nur noch warten und beten und auf Allahs Hilfe vertrauen.

Als Sarah vor den König geführt wurde, sprach dieser: "Ich will, dass du meine Frau wirst." Und er wollte sie anfassen. Aber als er seine Hand nach ihr ausstreckte, bekam er einen gewaltigen Schlag, und er fiel mit Krämpfen zu Boden und strampelte mit den Beinen. "Ach bitte", rief er unter Schmerzen, "bete doch zu deinem Gott, dass Er mir hilft. Ich will dir auch nichts tun!" Dies tat Sarah, doch kaum hatte der König den Anfall überstanden und fühlte sich wieder besser, sagte er: "Komm nun!" und streckte wieder seine Hand nach ihr aus. Sofort erhielt er wieder einen Schlag, stärker als den ersten, und er wälzte sich mit Krämpfen auf dem Boden und glaubte, dass er nun bald sterben müsse.

"Ach bitte", flehte er, "hab Mitleid mit mir und bete zu deinem Gott, dass Er mir hilft. Ich verspreche, dass ich nie wieder versuchen will, dich anzufassen. Ich will nie wieder daran denken, dir etwas anzutun." Da betete Sarah zu Allah, und alsbald war der König geheilt. Tatsächlich hielt er diesmal auch Wort, denn er hatte eingesehen, dass Allah unvergleichlich mächtiger war als er, der sich für den mächtigsten König der Welt gehalten hatte.

So befahl er, Sarah zu Ibrahim zurückzuschicken, und schenkte ihr eine ägyptische Frau namens Hagar als Dienerin, um sich bei ihr zu entschuldigen. Bald darauf verließen die drei frei und ungehindert das Land.

Je mehr Ibrahim auf seinen weiten Reisen sah und erlebte, um so mehr nahm seine Weisheit zu. Niemand übertraf ihn damals an Wissen. Und in seinem Herzen wuchs beständig die Liebe zu Allah, bis sie alles andere weit überstieg. Darum nennt man Ibrahim auch Allahs Freund.

Quelle: Geschichten der Propheten aus dem Qur'an; Islamisches Zentrum Hamburg e.V. DIE MOSCHEE