Die Zeit in Medina

         

DIE GROSSE AUSWANDERUNG NACH MEDINA

Erstes Freitagsgebet

Brüderlichkeitsabkommen

Bürgerschaftsabkommen

VERTEIDIGUNGSKRIEGE GEGEN DIE UNGLÄUBIGEN

 

DIE GROSSE AUSWANDERUNG NACH MEDINA

Mohammad (s.a.s.) war mit 'Ali (k.w.) und Abu Bakr (r.a.) allein in Mekka zurückgeblieben.  Alle anderen Muslime waren bereits ausgewandert.  Abu Dschahl, der ärgste Feind des Islam, wollte diesen Augenblick der Einsamkeit Muhammads (s.a.s.) ausnutzen.  Er versammelte die Stammesführer im Daaru n-Nadwah (=Haus der Begegnung).  Nach einer heftigen Diskussion beschlossen sie, nachts Mohammad (s.a.s.) zu überfallen, und suchten dafür 40 Ungläubige aus.

Inzwischen kam der Engel Gabriel (a.s.) zu Mohammad (s.a.s.) und teilte ihm das Vorhaben der Ungläubigen mit.  Daraufhin beauftragte Mohammad (s.a.s.) seinen Neffen 'Ali (k.w.), die Nacht über in seinem Bett zu liegen und sich mit seinem Mantel zuzudecken, damit die Ungläubigen meinen sollten, dass Mohammad (s.a.s.) schliefe.  Daraufhin lag 'Ali (k.w.) im Bett Muhammads (s.a.s.). Allahs Gesandter (s.a.s.) verließ das Haus, indem er die Sure-Yasin (=das 36.  Kapitel des Qur’an

) rezitierte, nahm eine Handvoll Erde vom Boden und streute sie zu den Ungläubigen, die sich um das Haus herum versteckt hatten, damit sie ihn nicht sehen konnten.  Er ging zu Abu Bakr (r.a.) und berichtete ihm, dass er in dieser Nacht mit der Gnade Allahs auswandern sollte, und dass Abu Bakr (r.a.) mit ihm kommen dürfe, worauf Abu Bakr vor Freude zu weinen begann.  Beide machten sich auf den Weg ins Tawr-Gebirge, wo sie sich in einer Höhle drei Tage und drei Nächte lang versteckten.

Als die Ungläubigen den Neffen im Bett Muhammads (s.a.s.) vorfanden und enttäuscht feststellen mussten, dass Mohammad (s.a.s.) das Haus vor ihnen verlassen hatte, begannen sie sofort mit der Verfolgung des Gesandten Allahs (s.a.s.). Eine Gruppe der Verfolger näherte sich der Höhle, wo sich die beiden versteckt hielten.  Da vernahm Abu Bakr die sich nähernden Schritte und flüsterte Mohammad (s.a.s.) leise ins Ohr: "0 Allahs Gesandter!  Sie nähern sich." Dieser versuchte ihn zu beruhigen: "Habe keine Angst.  Allah, der Erhabene, ist mit uns." Einer der Ungläubigen wollte in die Höhle hereinschauen, als ein anderer zu ihm sagte: "Siehst du nicht das Spinnennetz und die Taube?  Wenn sie drinnen wären, würde die Taube doch weggezogen und das Spinnennetz zerstört worden sein." Darauf entfernten sie sich, ohne in die Höhle geschaut zu haben.

Abdullaah b. Abu Bakr (r.a.) besorgte einen Karawanenführer und zwei Kamele.  Am Morgen nach der dritten Nacht machte sich die Auswanderergruppe auf den Weg.  Mohammad (s.a.s.) und Abu Bakr (r.a.) ritten auf dem einen und 'Amtr, ein von Abu Bakr (r.a.) freigelassener Sklave, und der Karawanenführer auf dem zweiten Kamel.  In einem Tag und einer Nacht legten sie den beschwerlichen Weg zurück.

Die Ungläubigen setzten für denjenigen, der den Gesandten Allahs (s.a.s.) finge, eine Belohnung von 100 Kamelen aus.  Diesem Aufruf folgten sehr viele Ritter und machten sich auf seine Spur.  Einer dieser Ritter war Suraaqa, der beinahe Mohammad (s.a.s.) eingeholt hätte.  Da strauchelte sein Pferd, und Suraaqa fiel zu Boden.  Doch er gab nicht auf, ritt weiter.  Als er in der Nähe Muhammads (s.a.s.) war, versanken plötzlich die Beine des Pferdes in der Erde.  In diesem Augenblick wurde ihm bewusst, welchen schweren Fehler er dabei war zu begehen.  Er bat um Entschuldigung, kehrte um und hielt auf dem Rückweg einige andere Ritter, die er antraf, davon ab, die von den Ungläubigen angestiftete Verfolgungsjagd auf Mohammad (s.a.s.) fortzusetzen.

Einer dieser Verfolger war Buraydah.  Beim ersten Zusammentreffen mit dem Gesandten Allahs (s.a.s.) nahm er den Islam an.  Er und seine Begleiter blieben an der Seite des Gesandten Allahs (s.a.s.), wobei er sein weißes Turbantuch um seine Lanze band und Mohammad (s.a.s.) bat, sein erster Fahnenträger sein zu dürfen, bis sie Qubaa erreichten.  Am 12.  Rabi'ul-Awwal, im Jahre 622, kam Mohammad (s.a.s.) in das Qubaa-Dorf, das eine Stunde von Medina entfernt war.  Dort warteten bereits alle Muslime auf den Gesandten Allahs (s.a.s.). In Qubaa blieb Mohammad (s.a.s.) 14 Tage.  'Ali (k.w.), der zu Fuß auswanderte, erreichte dort die Gruppe.  Während dieser 14 Tage Aufenthalt wurde die Qubaa Moschee errichtet.

Erstes Freitagsgebet

Am 15.  Tag begaben sich alle Muslime, und zwar sowohl Frauen als auch Männer, und Kinder, in einem eindrucksvollen zeremoniellen Marsch von Qubaa in Richtung Medina.  Unterwegs im Raanuuna-Tal wurde das aller erste Freitagsgebet in der islamischen Geschichte erfüllt.  Da offenbarte Allah (s.t.) folgende Ayat:

„O ihr Gläubigen!  Immer wenn am Freitag zum Gebet aufgerufen wird, dann eilt sogleich zum Gedenken Allahs, und lasset den Handel." (Al-Dschumah 62:9)

Allahs Gesandter (s.a.s.) trug eine Hutbah vor.

Nachdem Mohammad (s.a.s.) Allah, den Erhabenen, gepriesen und gelobt hatte, sprach er folgendermaßen:

"0 ihr Menschen!  Stellt für euch selbst etwas für das Jenseits bereit.  Bei Allah, dem Erhabenen, wie ihr alle wisst, wird einer von euch sterben und sein Schaf unbehütet lassen.  Dann wird Allah, der Erhabene, ihn ansprechen, wobei weder ein Dolmetscher noch ein Torhüter, der vor ihm einen Vorhang hält, vorhanden sein wird.  Und Allah, der Erhabene, wird ihn fragen: 'Ist mein Gesandter nicht zu dir gekommen, und hat er dir nichts mitgeteilt?  Ich habe dir Hab und Gut gegeben und dich gewürdigt.  Was hast du für dich vorbereitet?' Der Diener wird nach rechts und links schauen, aber nichts sehen.  Sodann wird er nach vorne schauen und nichts außer der Hölle sehen.  Daher, ihr Menschen, wer imstande ist, sich sogar mit nur einer halben Dattel vor der Hölle zu retten, der soll diese Abgabe sogleich erfüllen.  Wer nicht einmal eine halbe Dattel hat, soll sich mit einem schönen Wort retten.  Denn eine gute Tat wird zehn- bis 700 Fach belohnt.  Der Friede, die Gnade und der Segen Allahs seien mit Euch und mit dem Gesandten Allahs." (Ibn Hischaam, Siyrah, II, 146)

Nach dem Gebet trat Mohammad (s.a.s.) in die gesegnete Stadt Medina ein.  Es war ein unbeschreibliches Fest.  Kinder sangen, Frauen rezitierten Gedichte.  Wir wollen im geistigen Sinne an der Freude der damaligen Muslime teilnehmen und singen folgendes Lied, das seither eines der beliebtesten Lieder der islamischen Welt ist Tala'al-Badru 'alaynaa.  Wadschaba s-Schukru 'alaynaa.

Jede Familie wollte Allahs Gesandten (s.a.s.) als Gast empfangen.  Um die Würde jeder Familie zu achten, ließ er sein Kamel frei.  Das Kamel gelangte bis zur Stadtmitte, wo es sich auf einem Grundstück niederließ.  Das von diesem Platz nächstgelegene Haus erlangte die Ehre, Allahs Gesandten (s.a.s.) empfangen zu dürfen.  Dieses war das Haus von Abu Ayyuub al-Ansaarii, der väterlicherseits zum Verwandtenkreis Muhammads' (s.a.s.) gehörte.  Allahs Gesandter (s.a.s.) wohnte dort, bis die Masdschid an Nabawii und mit diesem Bauwerk auch die gesegnete Wohnung Muhammads (s.a.s.) errichtet worden war, also etwa sieben Monate lang.  Außerdem wurden, an die Moschee angeschlossen, geeignete Räumlichkeiten gebaut, um die Jugend zu unterrichten sowie bedürftige Muslime finanziell zu unterstützen und um dort zu speisen.  Ebenso wurden in diesen Räumen Gäste Muhammads (s.a.s.) empfangen.

Nach der Auswanderung verbreitete sich der Islam noch rascher, da die Voraussetzungen grundsätzlich für den Islam sprachen.  Die Bevölkerung von Medina bestand mehrheitlich aus Muslimen.  Allahs Gesandter (s.a.s.) gründete einen Stadtstaat.  Allah, der Erhabene, vervollständigte seine Religion stufenweise: Das Fasten, die Zakat und die Pilgerfahrt wurden zu Medina vorgeschrieben; Alkohol, Glücksspiel und Schweinefleisch wurden verboten.  Der Verteidigungskrieg wurde genehmigt.

"Wenn sie mit euch kämpfen, kämpft sofort mit ihnen." (AlBaqarah 2:191)

Brüderlichkeitsabkommen

In Medina begann die zweite Berufungsperiode Muhammads (s.a.s.). Gleich im zweiten Monat nach der Hidschrah beschloss er ein freiwilliges und aufrichtiges Brüderlichkeitsabkommen.  Gemäß  diesem Abkommen wurde jeder ausgewanderte Muslim (=Muhaadschir) von einem in Medina ansässigen Muslim (=Ansaar) als Bruder anerkannt und präsentiert.  Geflüchtete Muslime erhielten so eine Unterkunfts- und Auskommensgarantie.  Mit Unterstützung ihrer medinensischen Brüder konnten sie Wohnungen errichten und am Geschäftsleben teilhaben.

Bürgerschaftsabkommen

Im Anschluss an dieses Brüderlichkeitsabkommen beschloss Allahs Gesandter (s.a.s.) mit den in der Umgebung wohnenden Juden ein Bürgerschaftsabkommen, das gewährleisten sollte, dass Muslime und Juden gemeinsam die Stadt Medina gegen Ungläubige verteidigen würden.

VERTEIDIGUNGSKRIEGE GEGEN DIE UNGLÄUBIGEN

Allahs Gesandter (s.a.s.) und die Muslime waren gezwungen, gegen die Ungläubigen zu kämpfen.  Der erste Krieg wurde im ersten Jahr nach der Hidschra, am 17.  Ramadaan (13.  März 624), in der Nähe des Badr-Brunnens bestritten.  Auf Kamelen konnte man die Strecke zwischen Mekka und Badr in zehn Tagen und die Strecke von Medina nach Badr in drei Tagen zurücklegen.  Wäre Allahs Gesandter (s.a.s.) nicht mit 305 Muslimen bis zum Badr Brunnen marschiert, so hätten die Ungläubigen, 900 an der Zahl, die gesegnete Stadt Medina überfallen.  Obwohl die Ungläubigen dreimal so zahlreich wie die Muslime waren, konnten die Muslime die Ungläubigen besiegen.

Im zweiten Jahre nach der Auswanderung wurden das Fasten im Monat Ramadaan und die Zakat vorgeschrieben.  Der Zweite Krieg fand im dritten Jahr nach der Hidschra, am 11. Schawwal 3 (27.  März 625), beim Uhud-Gebirge, das nahe Medina liegt, statt.  Mit 3.000 Menschen waren die Ungläubigen ein zweites Mal gekommen, um die Stadt Medina zu zerstören.  Allahs Gesandter (s.a.s.) kämpfte mit 700 Muslimen. 70 Muslime sind auf dem Schlachtfeld gefallen.  Die Ungläubigen konnten zurückgewiesen werden.

Im vierten Jahr nach der Hidschra offenbarte Allah, der Erhabene, folgende Ayat:

"0h ihr Gläubigen!  Nähert euch nicht berauscht dem Gebet, bis ihr wisst, was ihr sagt." (An-Nisaa  4:43)

Damit wurden die Muslime noch einen Schritt vom Alkohol entfernt.

Im Winter des fünften Jahres fand der dritte Krieg um die Stadt Medina statt.  Mekkanische Ungläubige und ihre Verbündeten belagerten mit 10.000 Soldaten die gesegnete Stadt Medina.  Zuvor hatte Allahs Gesandter (s.a.s.) einen tiefen und breiten Graben um die Stadt herum anlegen und Schanzen bauen lassen.  Die Belagerung dauerte einen Monat.  Die Muslime blieben in Medina und verteidigten sich von der Stadt aus.  Die Ungläubigen konnten abermals zurückgeschlagen werden.  Im selben Jahr wurden alkoholische Getränke und Glücksspiele eindeutig verboten.

"0 ihr Gläubigen!  Wahrlich, der Wein, das Losspiel, die Opfersteine und die Lospfeile sind Schmutz aus den Satanstaten.  Vermeidet es!  Vielleicht werdet ihr damit das Wohlergehen erreichen." (Al-Maaidah 5:90)

Im sechsten Jahr von Hidschra offenbarte Allah, der Erhabene,

"Tayammum-Ayat":

"Und wenn ihr kein Wasser findet, so vollzieht' Tayammum' mit sauberem Sand und streicht damit über euer Gesicht und die Hände." (Al-Maaidah 15:6)

Um die Kaabah zu besuchen, begaben sich 1.500 Muslime unter der Führung Muhammads (s.a.s.) auf den Weg.  Allahs Gesandter (s.a.s.) forderte die Muslime auf, nur ein Schwert mitzunehmen.  Damals sollte jeder Reisende normalerweise ein Schwert tragen.  Damit wollte Mohammad (s.a.s.) die mekkanischen Heiden beruhigen und ihnen zeigen, dass die Muslime eine Friedensreise unternahmen.  Trotzdem zeigten die Mekkaner Angst und beschlossen, die Muslime nicht nach Mekka hineinzulassen.  Inzwischen teilte Allahs Gesandter (s.a.s.) den Mekkanern mit, dass die Muslime nur zum Besuch der Kaabah gekommen waren.  Er bot den Mekkanern die Möglichkeit an, ein Versöhnungsabkommen zu unterzeichen.  Nach langer Diskussion wurde am Hudaybiyah Brunnen das Hudaybiyyah-Abkommen geschlossen.  Dieser Friedensakt beschleunigte die Öffnung Mekkas.  Auf dem Heimweg nach Medina offenbarte Allah, der Erhabene, dem Gesandten die Sure Al-Fath.

Im Laufe dieses Friedensprozesses sandte Mohammad (s.a.s.) Sonderbotschafter zu den damaligen Staatsoberhäuptern, um ihnen seine Berufung bekannt zu geben. (Byzanz, Persien ...).

 

 

Textquelle:MEIN LEBEN FÜR DEN ISLAM 1 / RELIGIONSLEHRBUCH  / Verfasser:Baki Bilgin

IslamischeGlaubensgerneinschaft in Österreich/Wien 1995