DER MUKALLAF UND DIE RELIGIÖSEN BESTIMMUNGEN SEINER HANDLUNGEN

EINLEITUNG

DER VERPFLICHTETE - Al-MUKALLAF

Die religiösen Beweise im Islam

DIE BESTIMMUNGEN DER HANDLUNGEN VON MUKALLAF

Die Pflicht - AI-Fard

Die Waadschib -Pflicht – Al Wadschib

Die Überlieferung von Mohammad (s.a.s)As-Sunnah

Das rituell Erwünschte - Al-Mustahab

Das Freigestellte - Al-Mubaah

Das Verbotene - Al-Haraam

Das rituell Unerwünschte - Al-Makruuh

        Der rituelle Verderber - Al-Mufsid

DER MUKALLAF UND DIE RELIGIÖSEN BESTIMMUNGEN SEINER HANDLUNGEN

EINLEITUNG

Die Religion, insbesondere unsere Religion, der Islam, wendet sich an die Menschen. Der Mensch ist in der Lage, mit seiner geistigen und körperlichen Kraft auf der Erde eine Ordnung herzustellen, die herrschende Ordnung zu erneuern, oder umgekehrt, alles, was geordnet ist, durcheinander zu bringen.  Die Religion lenkt diese schaffende, menschliche Kraft, die es ihm ermöglicht, für sich selbst und für alle Geschöpfe von Allah eine friedliche Welt vorzubereiten.  Der Islam, der die letztoffenbarte universale Religion ist, beinhaltet alle Voraussetzungen und Bestimmungen, um den Menschen sowohl im Diesseits als auch im Jenseits glücklich zu machen und eine friedliche Weltordnung zu errichten.

Die Religion beginnt mit dem Glauben an den einzigen Schöpfer.

Das höchste Ideal für den Gläubigen ist es, eine gewisse Annäherung an seinen Schöpfer zu erreichen.  Die Geschichte der Menschheit beweist in zahllosen Beispielen, dass der Mensch, freundlich handelt, produktiv arbeitet, seinen Mitmenschen mehr gibt als das, was er von ihnen bekommt, wenn er sich seinem Schöpfer nahe fühlt und auf Ihn vertraut.

Der Islam beginnt von Anfang an, dem Gläubigen dieses Vertrauen zu geben.  Der Qur’an sagt:

"Wahrlich, wir gehören Allah, und wahrlich zu Ihm kehren wir zurück." (Al- Baqarah 2:156)

Nach dem Qur’an ist der Mensch der Höhepunkt der Schöpfung.

Wahrlich, wir haben den Menschen in bester Gestalt erschaffen." (Al- Tiin 95:4)

Der Qur’an gibt dem Menschen die frohe Botschaft, dass der Schöpfer ihm die Ehre zuteil werden ließ:

"Und ich habe ihm von meinem Geist eingehaucht." (Saad 38:72)

Der Qur'an versichert dem Menschen, dass ihm der erhabene Schöpfer ganz nah ist:

"Und wir sind ihm noch näher als die Halsschlagader." (Qaaf 50:16)

Der Muslim ist davon überzeugt, dass er von Allah kommt und zu Ihm zurückkehren wird, dass er der würdevollste Teil der Schöpfung ist, dass er durch den göttlichen Geist ins Leben gerufen und dadurch geehrt ist, dass der liebende, allwissende, allmächtige, allerbarmende, allgütige Schöpfer ihm noch näher

als seine eigene Schlagader ist. Diese Überzeugung schenkt dem Gläubigen Selbstvertrauen, Lebensfreude und einen umfassenden Optimismus, also alles, was für eine friedliche, gerechte und freundliche Familien- Gesellschafts- und Weltordnung notwendig ist.

Obwohl der Islam dem Menschen das nötige Selbstvertrauen (Bewusstsein) vermittelt, um ihm positive und freundliche Handlungen zu ermöglichen, gibt er ihm gleichzeitig auch die richtigen Maßstäbe für seine Handlungen.  Um den Gläubigen vor gewissen menschlichen Fehlern zu schützen, betont der Islam zweierlei:

Ø      Ø      Die persönliche Verantwortung, also die Eigenverantwortung des Menschen für seine Worte und Taten.

Ø      Ø      Die eindeutige Unterscheidung zwischen dem, was recht und erlaubt, und dem, was unrecht und verboten ist.

Nach dem Qur’an und dem Hadis ist der Mensch für seine eigenen Handlungen verantwortlich.  Keiner wird für die schlechten Taten eines anderen bestraft oder gar dadurch belastet.  Die kleinste und einfachste Tat, sei sie gut oder böse, wird nie vergessen werden.  Niemand außer Allah ist berechtigt, Sünden zu vergeben.  Folgende Qur’an-Verse machen den Gläubigen auf diese Tatsache aufmerksam und schließen den Weg des Irrtums im wesentlichen aus.

"Und wer Gutes, wenn auch nur im Gewicht eines Stäubhens, getan hat, wird Entsprechendes sehen, und wer Böses, wenn auch nur im Gewicht eines Stäubhens, getan hat, wird es sehen." (Ez-Zilzaal  99:7,8)

"Und kein Sünder wird die Last eines anderen tragen." (Al- Israa 17:15)

Wie wir schon gesagt haben, hat unsere Religion, der Islam, das Erlaubte und das Verbotene deutlich und klar festgelegt.  Im Bereich vom Erlaubten (=,Halaal) und Verbotenen (=Haraam) sind die Qur’an -Verse und die Ahadit klar und eindeutig, so dass es keine Missverständnisse und Zweifel mehr gibt.  Besonders aus diesen Gründen befolgen die Muslime die Gebote und Verbote Allahs bewusst und gerne.

DER VERPFLICHTETE - Al-MUKALLAF

Al- Mukallaf ist ein arabisches Wort und bedeutet verpflichtet, verpflichteter Muslim, verpflichtete Muslime. Also derjenige, der im religiösen Sinne verpflichtet ist, Allahs Gebote zu befolgen und das, was Allah verboten hat, zu meiden, heißt MUKALLAF.  Der geistig gesunde, zurechnungsfähige (='aqil) und volljährige (=balih) Muslim ist Mukallaf  . Wem eine von diesen beiden Bedingungen fehlt, ist man kein Mukallaf (=Nichtverpflichteter). Geistig Kranke sind nicht verpflichtet, auch dann nicht, wenn sie volljährig sind. Geistig gesunde, kleine Kinder sind auch nicht verpflichtet, weil sie noch nicht volljährig sind. Volljährig sein heißt geschlechtsreif sein.

Die Mädchen erreichen die Geschlechtsreife relativ früher als die Buben. Spätestens ab dem vollendeten 15. Lebensjahr sind Mädchen und Buben Verpflichtete, auch dann, wenn sie die tatsächliche Geschlechtsreife noch nicht erreicht haben. Jede Tat, die von einem geistig gesunden und volljährigen Muslim vollzogen wird, hat nach islamischem Recht (=Fiqh) einen religiösen Stellenwert. Jeder Verpflichtete trägt für seine Handlungen eine religiöse Verantwortung. Das heißt, er muss sowohl im Diesseits als auch im Jenseits die Konsequenzen seiner Handlungen tragen. Es ist dabei gleichgültig, ob diese Tat im persönlichen, familiären, oder beruflichen Leben des Verpflichteten durchgeführt wurde, ob diese Tat gegen den erhabenen Schöpfer oder gegen sich selbst oder gegen die Geschöpfe von Allah gerichtet ist. Es ist auch gleichgültig, ob diese nach islamischem Recht verbotene Tat sich gegen einen gläubigen Muslim, einen Andersgläubigen oder gegen einen Ungläubigen richtet. Der Verpflichtete muss auf jeden Fall die Konsequenzen tragen. Der Islam, die letztoffenbarte, universale und endgültige Religion, toleriert keine unterschiedliche Behandlung der Menschen. Die Menschen wegen ihrer religiösen Bekenntnisse zu belohnen, zu bestrafen oder ihnen zu vergeben, obliegt Allah allein. Wir Muslime müssen gemäß Qur’an und Hadis alle Menschen als Allahs Diener betrachten und gerecht behandeln.

Nach islamischem Recht heißen die religiösen Bestimmungen (=al-Ahkam), die die Taten der Verpflichteten bezeichnen, folgendermaßen: Fard Wadschib, Sunnah, Mustahab, Mubaah Haraam, Makruuh, Mufsid. Bevor wir die genannten Begriffe erklären, wollen wir die religiösen Beweise kennen lernen, die bei der Definition dieser Begriffe eine entscheidende Rolle spielen.

Die religiösen Beweise im Islam

Der Islam kennt zwei Beweisquellen.  Der Beweis ist entweder eine Ayat (=Qur'an -Vers) oder ein Hadis (=Überlieferung des Gesandten Allahs).  Jede religiöse' Bestimmung im Islam muss zumindest mit einer Ayat oder einem Hadis begründet werden.

Es gibt vier Arten des Beweises im islamischen Recht:

Ø      Ø      ein hinsichtlich seiner Nachweisbarkeit (Tubut) und seines Hinweisens (Dalaalah) bestimmter (qat'i) Beweis; das sind Qur’an-Verse, die Muhkam und Mufassar.

Ø      Ø      ein hinsichtlich seiner Nachweisbarkeit bestimmter (=qat'i), hinsichtlich seines Hinweisens zu vermutender (=zanni) Beweis; das sind Qur’an -Verse, wie auch Abadit, die Mu'awwal sind.

Ø      Ø      ein hinsichtlich seiner Nachweisbarkeit zu vermutender (=zanni), hinsichtlich seines Hinweises bestimmter (=qat'i) Beweis; das sind Ahadit, die nur von einem Raawii überliefert sind.

Ø      Ø      ein sowohl hinsichtlich seiner Nachweisbarkeit als auch hinsichtlich seines Hinweisens zu vermutender (=zanni) Beweis; das sind die Ahadit, die mehrere Bedeutungen haben und nur von einem Raawii überliefert sind.

DIE BESTIMMUNGEN DER HANDLUNGEN VON MUKALLAF

Es gibt acht islamische Bestimmungen, welche die Handlungen eines Mukallaf betreffen.

Die Pflicht - AI-Fard

Fard ist die islamische Bestimmung, die mit einem sowohl hinsichtlich seiner Nachweisbarkeit als auch seines Hinweisens bestimmten (=qat’i) und den Mukallaf zu einer Handlung verpflichtenden Beweis' begründet ist. Mit anderen Worten: Fard ist eine religiöse Bestimmung, deren Erfüllung Pflicht und deren Unterlassung verboten ist.

"Und verrichtet das Gebet und entrichtet die Zakat." (Al- Baqarah 2:110)

Und ähnliche göttliche Gebote sind eindeutig, bestimmt und klar. Die damit begründeten Bestimmungen sind Fard.  Jeder Mukallaf hat diese Befehle zu erfüllen.

Das aufrichtige Erfüllen von Fard lässt dem Gläubigen sowohl die Zufriedenheit als auch die Belohnung Allahs zuteil werden.  Seine unentschuldigte Unterlassung zieht die Strafe Allahs nach sich. Derjenige, der bewusst eine Fard ablehnt (leugnet), fällt vom Glauben ab. Es gibt zwei Arten von 'Fard.

Fardul-'Ayn, die individuelle Pflicht, sie ist von jedem einzelnen Verpflichteten zu erfüllen. Das Erfüllen des Fardul'Ayn von manchen Verpflichteten, befreit keineswegs die übrigen Verpflichteten von der Verantwortung. Das fünfmalige Gebet, das Fasten, die Zakat, die Pilgerfahrt nach Mekka sind individuelle Pflichten.  Jeder Verpflichtete muss diese Aufgaben selber erfüllen.

Fardul Kifayah, die gemeinschaftliche Pflicht, sie obliegt der betreffenden islamischen Gemeinde, gemeinsam zu erfüllen. Wenn eine Gruppe von Gläubigen, die im gleichen Wohngebiet lebt, diese Art der Fard -Bestimmung erfüllt, befreit sie die übrigen Gläubigen von der Verantwortung. Das Totengebet ist eine gemeinschaftliche Pflicht. Das Verrichten des Totengebetes ist nicht Pflicht des einzelnen Gläubigen, sondern ist Pflicht der islamischen Gemeinde, in der ein Todesfall vorkommt. Verrichtet niemand in einem Wohnort das Totengebet für einen verstorbenen Gläubigen, sind alle Bewohner des Gebietes schuldig. Die Belohnung (=Sawab) der Fardul-KifAyat gehört nur denjenigen, die sie verrichten, obwohl die Sünde des Unterlassens die ganze Gemeinde trifft.

Die Waadschib -Pflicht – Al Wadschib

Waadschib ist die islamische Bestimmung, die mit einem entweder hinsichtlich seiner Nachweisbarkeit oder hinsichtlich seines Hinweisens zu vermutenden (=zanni) und den Mukallaf zu einer Handlung verpachtenden Beweis begründet ist. Mit anderen Worten: Waadschib ist eine religiöse Bestimmung, deren Erfüllung Pflicht, deren Unterlassung verboten ist. Beispiele: Das Witr-Gebet, das Festgebet, die Opfergabe, die Betreuung der engsten Verwandten, die mittellos sind.  Diejenigen, die dem Waadschib nachkommen, werden den Lohn im Jenseits bekommen.  Demjenigen, der den Waadschib ohne Entschuldigung unterlässt, wird eine Strafe zukommen.  Wer eine Waadschib -Bestimmung leugnet, fällt nicht vom Glauben ab; denn der Beweis einer Waadschib -Bestimmung ist ein zu vermutender (=zanni) Beweis.

Die Überlieferung von Mohammad (s.a.s)As-Sunnah

Das, was Allahs Gesandter Mohammad (s.a.s.) außer Fard und Wadschib, in der Absicht des Gottesdienstes (=Ibaadah) am meisten erfüllt und gar selten unterlassen hat, ist Sunnah bzw.  Sunnah Mu'akkadah.  Beispiele: Der Sunnah-Teil des Morgengebetes, die Sunnah des Mittags- und Abendgebetes, die letzte Sunnah des Nachtgebetes, die Sunnah des Freitagsgebetes, das Tarawiih-Gebet im Monat Ramadan, Azaan und Iqamah.  Die Belohnung der Sunnah ist geringer als die der Fard und Wadschib. Diejenigen, die die Sunnah von Mohammad (s.a.s.) ohne Entschuldigung unterlassen, werden im Jenseits getadelt.

Das rituell Erwünschte - Al-Mustahab

Das, was Allahs Gesandter Mohammad (s.a.s.) in der Absicht des Gottesdienstes (=Ibaadah) manchmal erfüllt, manchmal unterlassen hat, ist Sunnah gayri Mu'akkadah bzw.  Mustahab.  Während ihre Erfüllung erwünscht ist, ist das Unterlassen nicht verboten.  Beispiele: Außer dem Fard-, Waadschib und Sunnah-Gebet, ein freiwillig verrichtetes Gebet, ein 'freiwilliges Fasten; außer der Zakat, den Armen freiwillig helfen.  Diejenigen, die solche freiwillige Ibaadah durchfuhren, werden belohnt, obwohl diejenigen, die sie unterlassen, im Jenseits nicht getadelt werden.

Das Freigestellte - Al-Mubaah

Die Handlungen, welche weder geboten noch verboten sind, heißen Mubaah.  Essen und trinken; schlafen und arbeiten; spazieren gehen und sitzen u.ä. Handlungen sind Mubaah.  Für die Mubaah- Bestimmung kommt weder Belohnung noch Strafe in Frage.

Das Verbotene - Al-Haraam

Haraam ist jene islamische Bestimmung, die mit einem hinsichtlich seiner Nachweisbarkeit und seines Hinweisens bestimmten und vom Mukallaf etwas nicht zu tun verlangenden Beweis begründet ist.  Beispiele: töten, stehlen, ehebrechen, lügen, die Eltern missachten, Alkohol trinken, Schweinefleisch essen, Rauschgift einnehmen usw.  Eine von den genannten Taten zu begehen, ist Haraam (=verboten).  Demjenigen, der ein Haraam begeht, wird eine Strafe zukommen.  Derjenige, der Haraam unterlässt, wird belohnt.  Das Nichterfüllen einer mit einem bestimmten Beweis vorgeschriebenen Fard-Bestimmung ist auch Haraam.  Derjenige, der bewusst eine Haraam-Bestimmung ablehnt, fällt vom Glauben ab.

Das rituell Unerwünschte - Al-Makruuh

Die Handlungen, für deren Nichtbegehen ein vermutlicher Beweis verlangt wird, heißen Makruuh.  Es gibt zwei Arten von Makruuh.

Ø      Ø      Makruuh TahrIman, das dem Haraam nahe rituell Unerwünschte.  Das absichtliche Unterlassen dessen, was im Islam als Waadschib gilt, ist Makruuh TahrIman.  Umgekehrt heißt das Unterlassen dessen, was Makruuh TahrIman ist, Wadschib. Es ist Makruuh TahrIman, das Gebet grundlos zu verschieben und beim Sonnenuntergang zu verrichten.

Ø      Ø      Makruuh Tanzihan, das dem Halaal nahe rituell Unerwünschte.  Das Unterlassen der als Sunnah und Mustahab bezeichneten Taten ist Makruuh Tanzihan.  Umgekehrt heißt das Unterlassen dessen, was Makruuh Tanzihan ist, Sunnah und Mustahab.  Es ist Makruuh Tanzihan, sich die Nase mit den Fingern der rechten Hand zu schnäuzen und zu putzen.

Der rituelle Verderber - Al-Mufsid

Die Handlungen, die einen begonnenen Gottesdienst ungültig machen, sind Mufsid.  Diesen Begriff verwendet man besonders für das Gebet, Wudu' und Fasten.  Beispiele: Beim Verrichten des Gebetes sprechen, bewusst essen und trinken während des Fastens.  Sprechen macht das Gebet ungültig.  Essen und Trinken machen das Fasten ungültig.  Solche Handlungen sind Mufsid.

 

Textquelle:MEIN LEBEN FÜR DEN ISLAM 1 / RELIGIONSLEHRBUCH  / Verfasser:Baki Bilgin

IslamischeGlaubensgerneinschaft in Österreich/Wien 1995